3. November 2022
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Wie der Discount-Handel sich neu erfindet – 5 Thesen von Michael Schipper

Handel im Wandel

 

Die beiden Worte, die sich so schön reimen, stehen offensichtlich in einer engen Beziehung zueinander. Der Handel ist ein mächtiger Impulsgeber für ökonomische, soziale und kulturelle Dynamiken: Durch weltweite Handelsbeziehungen sind in den vergangenen Jahrzehnten neue Märkte und neue Chancen für Unternehmen entstanden, menschliche Begegnungen und der kulturelle Austausch haben festgefügte Sichtweisen ins Wanken gebracht. Aber man kann sich auch ein umgekehrter Reim ist möglich: Das Phänomen Wandel durch Handel zwingt den Handel zum Wandel. Was das für den Discount-Handel bedeutet, erläutert Michael Schipper in fünf Punkten.

  1. Günstig und einfach reicht nicht mehr

Was gestern erfolgreich war, gerät immer mehr unter Druck und wird morgen vermutlich ganz von der Bildfläche verschwinden: Reisen in den öden Kolonnen des Massentourismus, Möbel und Wohnaccessoires ohne individuelle Note, Lebensmittel und Pflegeprodukte, die lediglich menschliche Grundbedürfnisse befriedigen. Auch das Einheitsdesign aus sperrigen Regalen und schwer passierbaren Gassen, mit dem der Discount-Handel Preiswürdigkeit signalisierte, zieht nicht mehr: Er verschreckt Kundinnen und Kunden. Sie verlangen mehr als Durchschnitt und Standard.

Deswegen hat das früher mehr als karg ausgestattete Dänische Bettenlager mit JYSK nicht nur einen neuen Markennamen bekommen: JYSK modernisiert mit einem neuen Ladenkonzept bis Ende 2024 auch alle Filialen. Weniger Stahl und Glas, mehr Holz, mehr Licht, hellerer Boden in wertiger Anmutung, flexiblere Ausstellungsflächen zur Inszenierung des erneuerten Sortiments, ein Ordnungskonzept für mehr Raum und Übersicht.  Auch ROLLER – Pionier des Möbeldiscounts in Deutschland – passt sich an und erfindet sich gerade neu.

Der Wettbewerbsdruck seitens großer Handelsmarken, die viel Geld investieren, um sich als Shoppingwelten mit ausgeprägtem Erlebnischarakter zu positionieren, zwingt den Discount-Handel nachzuziehen. Hinzu kommt der Wettbewerbsdruck durch den Distanz-Handel, der während der Pandemie einen ungeahnten Aufschwung erfahren hat.

 

  1. Der Faktor der digitalen Fitness

Früher stellte der digitale Distanzhandel nur für einige Zielgruppen und für bestimmte Produktkategorien eine mögliche Alternative zum stationären Handel dar. Inzwischen ist es für immer mehr Marktsegmente umgekehrt. Gemessen an vielen Online-Shops hat das stationäre Geschäft handfeste Nachteile, für die es eine Rechtfertigung braucht: höhere Preise, begrenzte Auswahl, mehr Zeitaufwand für den Besuch, Lieferung nicht als Standard. Der zunehmende Rechtfertigungsdruck wird in den kommenden Jahren den Handel dazu bringen, über Atmosphäre, Services und Angebote die Erlebnisqualität aufzuwerten, um zum Filialbesuch zu motivieren.

 

  1. Der Trend der Einzigartigkeit ist unumkehrbar

Inflation, schwindende Kaufkraft und drohende Firmenpleiten infolge der aktuellen Krisen scheinen tatsächlich ein anderes als das von mir beschriebene Szenario nahezulegen. Weil Menschen das nötige Geld zum Kaufen außergewöhnlicher Dinge ausgeht, könnte es zu einer Renaissance des Discounts herkömmlicher Prägung kommen: Sparzwängen geschuldete triste Funktionalität statt einzigartiger Einkaufserlebnisse! Doch das ist ein Trugschluss, dazu wird es nicht kommen. Auch nicht im schlimmsten anzunehmenden Fall, dass sich die Inflation zu einer die Wirtschaft lähmenden Stagflation (Stagnation plus Inflation) und anschließenden Rezession verstetigt.

 

Der Trend der Einzigartigkeit folgt keiner kurzfristigen menschlichen Laune, sondern der Logik des Fortschritts. Es handelt es sich um epochale Veränderungen, die durch den Wandel der Industriegesellschaft zur postindustriellen Wissensgesellschaft bedingt sind. Deren soziale Trägerschicht ist die akademisch gebildete Mittelschicht, die sich durch Kreativität und Erlebnisfreude auszeichnet. Daher könnte man zwar meinen, dass sich in der Breite der Bevölkerung aufgrund der aktuellen Krisen andere Mentalitäten und Präferenzen durchsetzen als in der gutverdienenden Mittelschicht. Aber die Strahlkraft des Einzigartigen kennt keine sozialen Barrieren. Wer sich bei KiK nach günstiger Kleidung umschaut, muss ja kein Modemuffel sein; wer sich mit den Ausgaben zurückhält, kann trotzdem das Bedürfnis nach besonderen Shoppingerlebnissen haben und wird Mittel und Wege finden, um genau das Bedürfnis eben zu befriedigen.

 

  1. Den Wandel als Chance begreifen

Mit dem Wandel der Industriegesellschaft zu einer postindustriellen Gesellschaft haben sich Waren und Shoppingwelten „entstandardisiert“. Ein Trend, der aber nicht auf die kommerzielle Warenwirtschaft beschränkt ist. In der Medizin setzen sich Therapien durch, die auf den einzelnen Menschen zugeschnitten sind. Statt größere Patientenkollektive mit gleichartigen Standardtherapien zu behandeln, berücksichtigen Personalisierte Therapien die individuellen Krankheitsfaktoren der Patientinnen und Patienten. Das Beispiel zeigt: Gleichbehandlung war gestern! Heute verlangen die Menschen mehr. Sie möchten individuell behandelt werden, mit singulären Angeboten. Andreas Reckwitz hat dazu ein aufschlussreiches Buch geschrieben – eine Fundgrube für das Verständnis des Trend-Phänomens „Einzigartigkeit“ („Die Gesellschaft der Singularitäten“). Den emotionalen Aspekt des Trends bezeichnet er treffenderweise als „Explosion des Besonderen“.

Einzigartigkeit sollte deswegen als Chance und nicht als Bedrohung begriffen werden. Es geht darum, das tradierte Modell des Discount-Handels zu transformieren. Letztlich hängt der Wandel von einem gelingenden Brandshift ab: Der Discount-Handel sollte seinen Kernwerten (günstig und einfach) treu bleiben. Aber das reicht nicht, um anspruchsvolle Kundinnen und Kunden zu faszinieren. Es geht um deutlich mehr.

 

  1. Zusammengefasst: Zielkoordinaten des Wandels

Verlangt werden atmosphärisch aufgeladene Shoppingwelten, glaubwürdige Nachhaltigkeit, eine Öffnung der Zugangswege durch Omnichannel-Angebote und ein achtsamer Umgang mit Kundinnen und Kunden, die in ihrer Individualität und Einzigartigkeit wertgeschätzt werden wollen. Die Herausforderung besteht darin, das in der Öffentlichkeit teils immer noch bestehende Bild lagerartiger Einkaufs-flächen, auf denen Billigwaren Menschen in eine rauschartige Einkaufslaune verbreiten, durch ein zeitgemäßes Image zu ersetzen und die entsprechenden strategischen Korrekturen vorzunehmen.

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you GmbH

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